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AutorenbildAntje Przyborowski

Trauer kannst du nicht „wegmachen“

Wenn uns die Trauer schier erdrückt, wünschen wir uns manchmal, dass jemand kommt und sie wegmacht. Keinen Schmerz mehr, keine Verzweiflung, keine Ohnmacht oder Wut. Wenn wir schon das, was wir verloren haben, nicht wiederbekommen können, dann soll es wenigstens nicht mehr weh tun. Doch so einfach ist das nicht. Trauer kannst du nicht einfach „wegmachen“. Kein Zauberspruch hilft da. Sie ist da. Du hast sie nicht gerufen. Sie ist aber trotzdem gekommen.


Natürlich kannst du versuchen, die Trauer wegzudrücken. In die Truhe deiner unerwünschten Gefühle packen, zuschließen, draufsetzen. Das kann zunächst hilfreich sein. Doch irgendwann poppt sie wieder hoch. Manchmal als körperliches Symptom in Form von Schmerzen. Oder manchmal als Ängste. Die Varianten sind vielfältig. Die Trauer will durchgearbeitet werden.


Besser als das „Wegmachen wollen“ ist es, etwas anderes daneben zu stellen. Das können schöne Momente sein, Kraftorte oder auch positive Erinnerungen. Auch Struktur und Rituale können hilfreich sein. Alles, was dich stabilisiert und dir beim Weitermachen hilft, ist ein kleiner Schritt in deine Zukunft. Die kleinen Blumen inmitten des Schutts deiner Trauer.



Trauer ist ein Gefühl


Wenn dich die Trauer überfällt, ist sie oftmals kaum aushaltbar. Besonders am Anfang, zum Beispiel direkt nach dem Tod eines geliebten Menschen, kommt dir vielleicht alles wie in einem Film oder einem Alptraum vor. Du denkst, gleich wachst du auf und alles ist wieder in Ordnung. Du hast nur geträumt und wirst gleich darüber lachen, was für ein Unfug sich in deine Träume geschlichen hat. Doch es ist kein Traum, sondern bittere Realität.


Trauer ist keine Sache, die nach einer bestimmten Zeit abgelaufen ist. Sie löst sich auch nicht einfach auf. Trauer ist ein Gefühl. Tief in uns drin. Sie kommt, weil du etwas, was dir sehr wichtig war, verloren hast. Sie kommt unwillkürlich, du kannst sie nicht „herbeirufen“ oder „wegmachen“. Entweder du trauerst um etwas oder jemanden oder du trauerst nicht.


Wenn Toben und Schreien helfen würde, würdest du es am liebsten tun. Nur dafür, damit der Schmerz, der mit dem Verlust einhergeht, verschwindet. Alles würdest du dafür geben, damit es nicht mehr wehtut. Ein Zauberspruch wäre jetzt gut. Doch nicht einmal Hermine Granger (aus „Harry Potter“) hat einen auf Lager. Die Trauer bleibt, egal wie wir uns anstrengen. Sie verschwindet nicht. Sie wird von jetzt an zu unserem Leben gehören.


Die Trauer hängt wie dunkle Wolken über uns. An manchen Tagen drückt sie uns nieder, als wären Ziegelsteine auf unser Gemüt gestapelt. Wir sind antriebslos, mutlos. Alles ist uns zuviel. Jede noch so kleine Bewegung scheint zäh und benötigt unheimlich viel Kraft. An anderen Tagen bricht die Trauer in Form von Wut aus uns heraus. Warum gerade ich? Was habe ich falsch gemacht, dass ich diesen Verlust erleiden musste? Vielleicht auch: Warum habe ich es nicht verhindern können?


Manchmal möchten wir uns verkriechen. Niemanden sehen. Nichts hören. Schon gar nicht die Floskeln „Mein herzliches Beileid“ oder „Das tut mir aber leid.“ Sie wühlen den Schmerz wieder auf. Tränen drücken dann vielleicht nach oben. Du möchtest aber vielleicht nicht ständig weinen. Zum Beispiel, weil du das Gefühl hast, dass deine Tränen dich noch weiter herunterziehen.



Gefühle unterdrücken hat seinen Preis


In all diesen Momenten wärst du deine Trauergefühle vielleicht gern los. Das ist nur natürlich. Unsere erste Reaktion auf unerwünschten Gefühle ist oftmals das Wegdrücken. Wir möchten keinen Schmerz. Wie sollen wir im Alltag funktionieren, wenn wir vom Schmerz überwältigt werden? Wie sollen Arbeit oder Familie weiter erledigt bzw. betreut werden, wenn wir den Eindruck haben, dass gar nichts mehr geht. Dann ist es einfacher, die Trauergefühle wegzuschließen, sie weit weg zu packen. Damit unser Leben weiterlaufen kann. Gern wird dann noch der Spruch unserer Großeltern zur Hand genommen: „Es muss ja.“


Zunächst einmal kann das Unterdrücken von Gefühlen eine gute Idee sein. Gerade, wenn Kinder da sind, müssen diese betreut und versorgt werden. Auch Arbeit kann ablenken, Halt geben. Wir können damit im ersten Schock die Kontrolle über unser Leben behalten. Wir bleiben in der Selbstermächtigung, im Tun.


Die Unterdrückung unserer Trauergefühle auf Dauer hat jedoch seinen Preis. Zugleich mit ihnen unterdrücken wir auch alle anderen Gefühle. Gefühle wie Freude, Liebe und Vertrauen haben dann auch keinen oder nur noch einen geringen Platz in unserem Leben. Jetzt sagst du vielleicht: "Ist mir egal, ich habe nach dem Verlust sowieso keine Freude mehr am Leben. Das Liebste, was ich hatte, ist weg." Du nimmst dir damit jedoch auch die Möglichkeit, schöne Erinnerungen zu erhalten, da sie dich an den schmerzhaften Verlust erinnern.


Dazu kommt, dass die Trauer sich, wenn du sie wegsperrst, einen anderen Weg sucht. Sie kann zum Beispiel in Form von körperlichen Schmerzen wiederkommen. Plötzlich tut dir dein Bein weh, ohne dass ein Arzt feststellen kann, woher die Schmerzen kommen. Das passiert gerade bei Menschen, denen es schwerfällt, Gefühle überhaupt wahrzunehmen und anzuerkennen. Das, was sie wahrnehmen, ist dann der körperliche Schmerz, der sie quält.


Eine andere Möglichkeit, wie sich die Trauer Gehör verschafft, können Ängste sein. Oder du bekommst zum Beispiel aus heiterem Himmel Panikattacken. Du hast den Eindruck, nicht mehr sicher zu sein, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Mit der Trauer bringst du all das vielleicht nicht in Verbindung, aber sie kann die Ursache für deine Probleme sein.


Indem du dich mit deiner Trauer auseinandersetzt, sie „durcharbeitest“, können sich diese Symptome auflösen. Nicht schnell, aber nach und nach. Durch die Trauerarbeit bekommst du wieder festen Boden unter den Füßen.



Stelle etwas Positives neben deine Trauer


Statt deine Trauergefühle zu ignorieren oder wegzudrücken ist es sinnvoller, andere – schöne - Dinge neben die Trauer zu stellen. Die Trauer ist trotzdem noch da, aber du bekommst die Möglichkeit, daneben positive Dinge in dein Leben zu lassen. Die Trauer ist nicht mehr allmächtig, sondern nur noch ein Teil deiner Gefühle. Dies kann dir Entlastung bringen.


So kannst du dich zum Beispiel dafür entscheiden, regelmäßig in einem Chor zu singen. Die wöchentliche Chorprobe und eventuelle Auftritte sind etwas, was neben deiner Trauer stehen kann. Du darfst weiter trauern und gleichzeitig etwas Neues, Bereicherndes in dein Leben lassen. Der Druck, den die Trauer auf dich gelegt hat, kann ein Gegengewicht erhalten, dich wieder leichter atmen lassen. Damit du besser durch die Trauerzeit kommen kannst.


Die Möglichkeiten für Erlebnisse und Aktivitäten neben der Trauer sind vielfältig. So kannst du auch schöne Erinnerungen oder Orte, an denen du dich wohl und sicher fühlst oder gefühlt hast, als inneren Schutzraum nutzen. Oder du bringst wieder Struktur und Rituale in deinen Alltag, die dir vielleicht durch die Trauer verloren gegangen sind.


Suche dir etwas, von dem du merkst, dass es dir gut tut. Schaffe dir einen Anker in dieser schweren Zeit. Einen Anker, der dir hilft, den nächsten Schritt zu gehen.


Achte auf dich.

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